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Alle Branchen 15.05.2023

Energieverbrauch Messen und Vergleichen

Interview mi Michael Ulli

Die Uneinheitlichkeit bei Erfassen der Gebäude-Verbrauchszahlen ist gross. Die aktuellen Messsysteme können keine Aussage darüber machen für was und für wen die Energie bezogen wurde, sagt Michael Ulli, CEO der ICFM AG. Bevor Klarheit darüber herrscht, stehen noch einige Herausforderungen bevor.

ICFM AG
the developers of campos
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Das Thema Nachhaltigkeit hält auch das Facility Management auf Trab. Die Erhebung der Verbrauchsdaten eines Gebäudes wird in Zukunft ein zentrales Element zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele darstellen. Wie lässt sich eine einheitliche Messregelung erreichen?

Michael Ulli: Das ist leider gar nicht so einfach. Nicht überall sind die Messsysteme ausgelegt, um dafür die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zu erfassen. Meistens liegt der Fokus darauf, dass die Nebenkosten korrekt zugeordnet werden können, aber auch dies ist noch nicht bei allen Gebäuden gewährleistet.

 
Wie könnte diese Situation verbessert werden?

Sehr wahrscheinlich nur über den Regulator der dies einfordert und auch definiert. Der Gebäudepark Schweiz ist historisch gewachsen und beinhaltet unterschiedliche Messsysteme und ist auch von der Anpassbarkeit beschränkt. Da es noch teuer ist ein Gebäude Energie-Autark zu erstellen, wird meistens auf eine 80/20 Lösung gesetzt. Damit ist gemeint, dass bei Spitzen trotzdem noch Energie bezogen wird. Hinzu kommt, dass neu auch Autobatterien als Zwischenspeicher genutzt werden können. So wird der Unterschied zwischen den Verbräuchen einzelner Mieteinheiten noch unterschiedlicher. Die aktuellen Messsysteme können keine Aussage darüber machen für was und wen die Energie bezogen wurde. Bevor wir also Klarheit erhalten, stehen uns noch einige Herausforderungen bevor.

 
Wie «sauber» sind denn die erhobenen Zahlen überhaupt?

Die Zahlen sind sehr unterschiedlich. Da nicht abschliessend definiert ist, wie der Verbrauch eines Gebäudes genau zu messen ist und die Gebäude auch nicht dafür optimiert sind, versuchen alle die Daten so gut wie möglich und so wie sie es interpretieren zu erfassen. Bei institutionellen Anlegern liegt der Allgemeinverbrauch im Fokus, da sie keinen Einfluss auf den Verbrauch der Mieteinheiten haben. Bei kommunalen Eigentümern steht vielfach der Gebäudepark als Ganzes im Fokus. Wobei auch dort nicht klar ist, welche Gebäude überhaupt und dann noch wie zu erfassen sind. Wenn zu Beispiel ein Werkhof ein Feuerwehrdepot hat und einen Proberaum für eine Band extern vermietet ist, dann wird jede Gemeinde die Fläche des Proberaums unterschiedlich erfassen.

 
Die Energiebezugsfläche (EBF) ist die Summe aller ober- und unterirdischen Geschossflächen, die innerhalb der thermischen Gebäudehülle liegen und für die ein Beheizen oder Klimatisieren notwendig ist. So lautet die Definition nach SIA 380. Doch es herrscht grosse Unklarheit darüber, was zur EBF gehört und was nicht.

Die revidierte Norm hat dies zwar etwas verbessert, aber es gibt immer noch viel Klärungsbedarf. Wenn zum Beispiel in einer Mietfläche im UG ausserhalb der thermischen Gebäudehülle ein Serverraum eingebaut wird, werde ich dies als institutioneller Eigentümer nicht als EBF führen. Wenn ich aber eine CREM-Organisation bin, dann werde ich sie wohl erfassen, da sie zur konditionierten Fläche gehört. Vielfach wird die EBF anhand der geplanten Nutzung erfasst und bei Veränderungen nicht mehr angepasst. Bei älteren Gebäuden ist nicht immer klar, wo die thermische Gebäudehülle entlang geht. Ist das Treppenhaus noch drin oder nicht?

 
Wer erhebt die Daten eines Gebäudes? Das Facility Management gelangt immer wieder in den Clinch darüber, wem die Gebäudedaten überhaupt gehören.

Die Grunddaten müssen vom Eigentümer erfasst werden. Nur er hat die Infos was, wo und wie gebaut und auch gemessen wird. Bei der Erfassung der Verbrauchsdaten kann das Facility Management aber sehr gut unterstützen.

 
Eigentümer sollten ihre Verantwortung besser wahrnehmen und mehr Bestellerkompetenz einbringen, wird von Seiten des FM immer wieder verlangt. Doch das geschieht offenbar nur zögerlich. Woran liegt das?

An den technischen Herausforderungen der neuen Gebäude und dem Fachwissen der Eigentümer. Ein nachhaltiges Gebäude hat heute einen sehr hohen Technologisierungsgrad und dessen optimaler Betrieb ist auch für die FM-Provider eine grosse Herausforderung. Auf Seiten Eigentümer ist vielfach das Verständnis der Komplexität der Systeme und der Vernetzung dieser untereinander nicht gewährleistet. Sie haben einen anderen Fokus. Wenn dann Einzelleistungen ausgeschrieben werden, welche aber zu einem komplexen System gehören, kann dies vom FM-Provider nicht korrekt bepreist und somit dann auch nicht optimal betrieben werden. Wir sehen aber bei Sanierungen bereits Verbesserungen. Dort wird nun vielfach mit den Fachplanern und dem bestehenden FM-Provider eine optimale Lösung gesucht für die Umbaumassnahmen. Nicht dass zum Beispiel die neu gewonnene Dichtigkeit des Gebäudes zu Schimmelbefall oder zu weiteren negativen Effekten führt.

 
Oft wissen die am Bau Beteiligten aber nicht, dass die Nachhaltigkeit einer Managementlösung beim baubegleiteten Aufbau liegt und sie erstellen ihre eigenen Flächenmanagementlösungen zur Dokumentation ihres Leistungsauftrages. Fehlt es an der Kommunikation zwischen Architekten und Bauherren?

Es fehlt an allem. Es fehlt am gegenseitigen Verständnis, am nötigen Fachwissen, an einheitlichen Definitionen, an klaren Anforderungen, technischen Hürden etc. Ich sehe das Hauptproblem immer noch in der Art der Zusammenarbeit. Die Verträge werden in einem sehr frühen Stadium des Projektes endgültig fixiert, um die Risiken für alle Beteiligten möglichst gering zu halten. Das hat meist zur Folge, dass Anpassungen anhand von gewonnen Erkenntnissen gar nicht oder nur mit hohen Kostenfolgen möglich sind. Die Kultur, die daraus entsteht, sorgt dafür, dass jeder versucht sich so gut wie möglich abzugrenzen, um seinen Vertrag optimal erfüllen zu können. Das Ziel müsste aber sein, gemeinsam einen möglichst effizienten und nachhaltigen Bau zu erstellen.

 
Auf Stufe Portfolio wird vom Abdeckungsgrad gesprochen. Das ist die massgebliche Fläche der fertigen Bauten in Quadratmeter im Verhältnis zur Gesamtfläche aller fertigen Bauten in Quadratmeter. Die Berechnung des Abdeckungsgrads hängt davon ab, dass Daten von Liegenschaften oder Informationen auch zu gewerblichen Mietern verfügbar sind. Wie schätzen Sie die Situation ein, wie weit sind diese bereits vorhanden?

Aus unserer Sicht betrachtet, wird ein sehr hoher Abdeckungsgrad erreicht. Das liegt aber sehr wahrscheinlich daran, dass wir nur mit Eigentümern zu tun haben, die sich mit dem Flächenmanagement auseinandersetzen. Sobald sie das Thema Nachhaltigkeit in Angriff nehmen, werden einheitliche Erfassungsregeln für die gesamten Portfolios definiert und auch Prozesse installiert, um die notwendigen Verbrauchszahlen korrekt zu erfassen. Natürlich werden einzelne Liegenschaften, wo ein Umbauprojekt oder ähnliches ansteht, nicht erfasst, aber dies beeinflusst den Abdeckungsgrad nur minimal.

 
Die Asset Management Association Switzerland (AMAS) verlangt seit Anfang Jahr von den Immobilienfonds die Offenlegung der Kennzahlen auf Ebene Portfolio im Jahres- und Halbjahresbericht. Könnte sich die FMBranche hier als Innovationstreiber einbringen?

Ich denke nicht. Das FM kann die Eigentümer bei der Datenerfassung unterstützen, aber es ist unrealistisch, dass die FM-Branche mit ihren Margen noch Datenmanager beschäftigen kann, die alle notwendigen Aufnahmen machen, die Daten bewirtschaften, auswerten und dann noch Handlungsempfehlungen herausgeben.

 
Bei Neubauten ist die Erhebung der Daten also ein Muss. Der grösste Teil der Schweizer Immobilien ist aber älter als 40 Jahre, rund 1.5 Millionen Gebäude sind energetisch dringend sanierungsbedürftig.

Genau dies wird vielfach vergessen in der Diskussion. Nicht bei jeder dieser Liegenschaften ist eine Sanierung nachhaltig. Wenn die Gebäudesubstanz gut erhalten ist, aber nicht dafür ausgelegt ist den heutigen energetischen Anforderungen zu genügen, dann macht es meist auch aus Nachhaltigkeitsgründen keinen Sinn diese zu sanieren, da der Bedarf an Grauenergie nicht innert nützlicher Frist wieder kompensiert werden kann. Auch hat nicht jeder Eigentümer dieser Liegenschaften die finanziellen Mittel dazu, eine notwendige Sanierung in einem entsprechenden Mass zu finanzieren. Ich denke auch hier ist es wichtig, Schritt für Schritt in die richtige Richtung zu gehen und bei jedem Detail zu überlegen, wie das Endziel sein müsste und was ich heute schon dafür tun kann.

 
Das geplante Klimaschutzgesetz, welches am 18. Juni 2023 zur Abstimmung kommt, möchte die Sanierungsquote stark anheben. Durch eine jährliche Unterstützung des Gebäudeprogramms von 200 Millionen Franken über zehn Jahre hinweg soll der Heizungsersatz gefördert und der Wärmeverbrauch durch Effizienzmassnahmen insgesamt gesenkt werden. Wird das ausreichen, um die Ziele zu erreichen?

Nein sicherlich nicht. Aber es motiviert einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Dass wir unsere Ziele erreichen, erachte ich mit der aktuellen Politik als unmöglich. Man versucht immer noch sich gegenseitig zu neutralisieren und den Schuldigen auf der anderen Seite zu suchen. Wenn man etwas Grundlegendes ändern wollte, müsste man zusammen mit der Forschung an einem Tisch die Lösungen mit realistischen Zukunftsszenarien erarbeiten. Die müssten dann mit der Veränderungsbereitschaft der Gesellschaft und der finanziellen Bereitschaft abgeglichen werden.

Interview geführt von Remi Buchschacher, Real Estate Move AG

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